Lolita Bar in der Werner-Hilpert-Straße

Ich träume von einer Kirche, die nicht in der obersten Gewichtsklasse „mitkämpfen“ will. Muss Kirche immer nur als „Schwergewicht“ auftreten? Also in Verbindung mit

  • einem beachtlichen Kirchengebäude samt allen möglichen Gruppen- und Büro-Räumen,
  • einer Vielzahl von Hauptamtlichen, einem Senior Pastor, der als Generalist Experte auf jedem Gebiet ist (also das Schweizer Taschenmesser, wobei sich jedes Werkzeug im Einsatz als Profi Power Tool herausstellen soll) und
  • einem Kirchen- und Wochenprogramm, das eine ganz Region abholen und erreichen möchte?

Muss ein Kirchen-Startup das Ziel haben, eine Institution zu werden? Muss der Kick-Off ein Grand-Opening sein, bei dem sich das politische und kirchliche Who is Who am Rednerpult das Mikro in die Hand drückt?

Muss Kirche groß und stark werden? Oder hat es nicht auch seinen Charme, sich als Leichtgewicht tänzelnd mit kleinen, schnellen Tritten durch den Ring zu bewegen.

Ich möchte als Kirche agil und beweglich bleiben. Ich möchte mit Kirche beständig auf dem Weg sein. Und zwar lieber mit einem leichten Rucksack auf spannenden Trails als mit überladenem Dachgepäckträger auf der Autobahn. Ich glaube, Kirche ist nicht erst dann Kirche, wenn sie einen hauptamtlichen Pastor und einen fetten Gebäudekomplex finanzieren kann. Ich will mich nicht grundsätzlich gegen das Hauptamt aussprechen.

Aber in der Tat setze ich ein großes Fragezeichen hinter die klassische Pastorenrolle. Zu viel wird zu oft um diese Rolle herum aufgebaut und konzipiert. Das ganze Wochenprogramm. Und selbst der Gottesdienst gipfelt in der Predigt durch die Pastorin oder den Pastor. Und kein Gottesdienstabschluss ohne pastoralen Segen.

Kann es sein, dass wir als Kirche uns zu sehr von dieser klassischen Pastorenrolle abhängig machen? Alles steht und fällt mit ihr. Und weil man zu viel mit dieser Rolle verknüpft, definiert sich Kirche zu oft und zu sehr durch ihre Pastor:innen. Und geht es in den theologischen Ausbildungsstätten und Studiengängen vielleicht noch zu sehr darum, dass dieses Pastoren-Profil vermittelt wird?

Ich denke, dass ich als ehemaliger Jugendpastor diese Fragen stellen darf. Natürlich hat sich viel getan. Und fühl dich als Pastorin oder Pastor nicht zu sehr auf den Talar getreten. Dennoch nehme ich mir diese Systemkritik heraus.

Um auch nach vorne zu schauen:

  • Ich kann mir gut vorstellen, dass wir als Kirchen-Startup für eine gute Weile rein im ehrenamtlichen Betrieb unterwegs sein können. Wir haben so talentierte und versierte Leute am Start, mit denen wir uns ein passendes Format – beispielsweise für Gottesdienste (wenn wir das so nennen wollen) – erarbeiten werden. Genau darin sehe ich in einem Kirchen-Startup die große Chance, sich genau zu überlegen, was wir in welcher Form auf die Beine stellen wollen. Es ist unsere grüne Wiese. Wir entscheiden bewusst, was wir darauf machen wollen. Diese Gestaltungsmöglichkeit macht für mich u.a. auch den großen Reiz an diesem Projekt aus.
  • Ich kann mir gut vorstellen, dass wir uns als Kirchen-Startup zu öffentlichen Veranstaltungen im säkularen Raum treffen werden. Da möchte ich einiges ausprobieren und schauen, wie sich jeder Ort für uns als Gruppe anfühlt. Was macht die Umgebung mit uns? Welche Dynamik wird dadurch in Gang gesetzt?
  • Ich kann mir gut vorstellen, dass wir uns einiges an externer Expertise gönnen werden. Ein außenstehender Blick hilft ungemein bei der Beratung und Moderation unterschiedlichster Prozesse. Wir laden uns Expert:innen und Gastreferent:innen zu speziellen Themen ein, bei denen wir Bedarf sehen und die wir nicht selbst abdecken können oder wollen.
  • Ich kann mir gut vorstellen, dass wir als Kirche die Menschen ermutigen, sich ehrenamtlich bei bestehenden Projekten außerhalb der Kirche zu engagieren. Kirche muss nicht zum Lebensmittelpunkt werden. Es gibt zahlreiche unterstützenswerte soziale Projekte, an denen wir uns beteiligen können.
  • Ich kann mir gut vorstellen, dass unsere Kirche einfach nur ein Projekt ist. Schon gar nicht muss es das „The Next Big Thing“ in Kassel werden. Kirche als Ortsgemeinde muss nicht für die Ewigkeit ausgelegt werden. Es ist okay, sich irgendwann einmal einzugestehen, dass es vorbei ist und Ressourcen anderweitig besser eingesetzt werden. Kirche darf auch mit einem Ende gedacht werden.

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2 Kommentare

  1. Der Gedanke, Kirche nur für „richtige Kirche“ zu halten, wenn sie schwergewichtig und möglichst komplett im herkömmlichen Sinne daher kommt, ist mir in Bezug auf euer „Start Up“ überhaupt nicht in den Sinn gekommen. Die Vorstellung passt für mich auch gar nicht zu dem Versuch neue Wege zu gehen und sich neue Wege führen zu lassen.
    Immer wieder interessant und spannend, hier die gedankliche Entwicklung lesen zu können.

    LG, Gert

    1. Danke, Gert, dass du aus dem hohen Norden mitverfolgst und auch immer wieder hier und da einen Kommentar hinterlässt. Das tut gut!

      Zum Thema: Ich merke ja selbst, wie sehr dieses klassische Bild von Kirche als die Institution im Ort noch im Hinterkopf als Ziel formuliert ist. Und das bei all meiner Offenheit für neue Ideen. Deshalb ist es gerade am Anfang wichtig, sich zu hinterfragen. Nicht alles muss zwingend anders angegangen und gedacht werden. Aber was wir übernehmen, das wollen wir bewusst machen.

      Ja, das ist eine spannende Entwicklung…

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